Projektleiter: Prof. Dr. Jörg Dierken
Projektbearbeiter: Dr. des. Constantin Plaul (Lehrstuhlmitarbeiter)
Laufzeit des Projekts: 1995-2025
Der seit 1770 nachweisbare Begriff der Religionsphilosophie bezeichnet eine Form des Denkens über Religion, die sich der Vernunft verpflichtet weiß. Begrifflich-kategoriales Nachdenken aus und über die göttlichen Dinge ist zwar bereits sehr alt, aber es gewinnt mit Aufklärung und Moderne eine neue Qualität und Dynamik. Dazu gehört maßgeblich, dass Religion als ‚Angelegenheit des Menschen‘ (Spalding) verstanden wird. Die seit 1770 in rascher Folge entstehenden Religionsphilosophien greifen zunächst die ältere theologia naturalis auf, die teils als Ergänzung, teils als kritisches Korrektiv zu der in der biblischen Offenbarung gegründeten Theologie aufgekommen war. Vorformen der Religionsphilosophie reichen in den englischen Deismus und französischen Rationalismus zurück. Inhaltlich entzündete sich das neue Interesse der aufkeimenden Religionsphilosophie an Fragen der Kompatibilität von Vernunfteinsicht und Offenbarungsautorität sowie der Bedeutung von Religion für die moralisch-praktische Lebensführung. Die Logik und Geltung von Religion sollte erörtert und mit Blick auf plausible humane Erfordernisse der Lebensdeutung und Lebensgestaltung erwiesen werden. Zudem ging es darum, das Christentum im Kontext anderer Religionen und deren Geschichte zu betrachten.
Mit der durch das kritische Denken von Immanuel Kant eröffneten Deutschen Klassik kam es zu einem massiven Aufschwung religionsphilosphischer Entwürfe. Religion wurde zu einem philosophischen Thema ersten Ranges, bei dem die Vernunft mit ihren Mitteln ihren Grund und ihre Grenzen auslotet. Es geht mithin bei der Religion immer auch um die letzte Einheit der Vernunft, welche zugleich an mentale Vollzüge zurückgebunden bleibt. Die damit angezeigte Reformulierung klassischer metaphysischer Themen fokussierte zum einen Struktur und Verlaufsweisen menschlicher Subjektivität, zum anderen rückte das Feld sozialer Lebensformen in Gesellschaft und Kultur mitsamt ihrer Geschichte in den Blick. Religion wurde und wird in den großen systematischen Entwürfen, die von der Deutschen Klassik ausgehen, im Zusammenhang der Struktur von Subjektivität verstanden, und sie wird im Horizont der Vielfalt kultureller Gestalten erörtert.
Damit ist der Zusammenhang religionsphilosophischer Debatten im 19.und im 20. Jahrhundert markiert. Das betrifft sowohl Versuche einer konstruktiven Fortschreibung der Impulse, die von den Religionsphilosophien der Klassik ausgegangen sind, als auch die vielfältigen Formen ihrer Kritik. Zu diesen Debatten leistet das Forschungsprojekt wesentliche Beiträge: durch kategoriale Klärung von religionsphilosophischen Grundbegriffen (insbesondere dem der Religion), durch Rekonstruktion maßgeblicher Diskurskonstellationen von Meisterdenkern (wie Kant, Fichte, Schelling, Hegel und Schleiermacher), durch Forschungen zu deren Wirkungsgeschichte (etwa bei Troeltsch, Weber, Tillich, Wagner, Luhmann u.a.m.) und durch systematische Arbeit an religionsphilosophische Schlüsselkonzepten (wie Subjektivität, Kultur, Geschichte, aber auch Wahrnehmung, Ausdruck und Symbol).
Prof. Dr. Jörg Dierken
joerg.dierken(at)theologie.uni-halle.de
PD Dr. Malte Dominik Krüger
malte.kruger(at)theologie.uni-halle.de
Constantin Plaul
constantin.plaul(at)theologie.uni-halle.de
Das IZEA gehört zur Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und befasst sich als Forschungseinrichtung zur Kultur- und Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts mit der Aufarbeitung einer Epoche, in der die Fundamente der modernen westlichen Gesellschaften gelegt wurden.
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